Multiple Sklerose und Sport

Multiple Sklerose und Sport

„Multiple Sklerose und Sport? Das verträgt sich nicht!“ Diese Standardantwort bekamen in der Vergangenheit viele MS-Erkrankte zu hören. Erst in dem letzten Jahrzehnt hat sich diese Haltung jedoch drastisch gewandelt – zum Positiven für alle MS-Erkrankten! Trotz allem sind bis heute viele Betroffene kaum körperlich aktiv. Inwieweit kann nun körperliche Aktivität und Sport dem Krankheitsverlauf entgegenwirken?

Nach Jahren intensiver Forschung scheint sich die Welt der Wissenschaft und Forschung einig, dass sich Sport positiv auf Symptome, Gesundheit und Lebensqualität auswirken kann. Wie auch bei offensichtlich gesunden Menschen kann sich Bewegungsmangel mitunter durch eine verminderte kardiorespiratorische Fitness und allgemeine Leistungsfähigkeit sowie durch eine Inaktivitätsatrophie auszeichnen. In Verbindung mit weiteren Risikofaktoren, dazu gehören Rauchen, falsche Ernährung, hoher Alkoholkonsum und Stress, können daraus bestimmte Folgeerkrankungen wie kardiovaskuläre Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen resultieren.

Wie wirkt Sport auf die MS?

Aktuelle Studien zeigen, dass jede Form von MS, sei sie schubförmig oder chronisch progredient, von Sport profitieren kann. Die Grundlage bilden sogenannte „Neurotrophe Faktoren“. Diese Wachstumshormone sind entscheidend an der Entwicklung des Gehirns beteiligt. Sie sorgen für eine Neubildung und Wachstum von Nervengewebe sowie für eine verbesserte Konnektivität zwischen Nervenzellen. Besonders der BDNF, die Abkürzung steht für brain-derived neurotrophic factor, ist hier das zentrale Wachstumshormon und stellt eine Voraussetzung für den Erhalt neuronaler Funktionen dar. Auf der anderen Seite reagieren Wachstumshormone auf kontrollierte sportliche Aktivität mit einem starken Anstieg ihrer Konzentration. Demnach ist Sport entscheidend an der Neuroregeneration des zentralen Nervensystems beteiligt.

Neben diesen neuroprotektiven Effekten zielt Sport ebenfalls auf eine Verbesserung der Kraft, Ausdauer, Koordination, der Beweglichkeit und des Gleichgewichts ab. Weiterhin hat Sport einen positiven Einfluss auf die Fatigue, kann eine Steigerung der Lebensqualität erzielen und sich damit positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken.Darüber hinaus kann durch einen aktiven Lebensstil der Entstehung von kardiovaskulären- und  stoffwechselbezogenen Erkrankungen entgegengewirkt werden.

Wie kann das in der Praxis aussehen?

In der Regel gibt es keine Einschränkungen bezüglich Sportarten oder anderer Trainingsformen für MS-Erkrankte. Die Bandbreite reicht von Laufen, Walking, Wandern, Fahrradfahren, Klettern, Schwimmen, Aquatraining über leichte Spielsportformen bis hin zu Kraft-, Koordinations- Gleichgewichts-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Die Trainingsgestaltung sollte planmäßig, strukturiert und vor allem auch in besonderem Maße individuell durchgeführt werden, um den optimalen Therapie-  und Trainingserfolg zu gewährleisten. Dabei sollte sich das Training am aktuellen Leistungsniveau orientieren, um Über- oder auch Unterbelastung vorzubeugen. Überbelastung und ungenügende Pausengestaltung zwischen sportlichen Aktivitäten können sich negativ auf den Leistungszustand auswirken. Daher muss jedem Training besondere Aufmerksamkeit bezüglich Intensität und Pausengestaltung zukommen.

Ein Training in der Gruppe hat sich erfahrungsgemäß als sehr positiv erwiesen, da man mit Gleichgesinnten zusammentrainiert und auch Erfahrungen austauschen kann. Ebenso ist auch ein Einzeltraining, etwa Personal Training oder Physiotherapie, absolut empfehlenswert.

Mittlerweile treten auch vermehrt Patient*innenschulungen aus dem Schatten. Solche praxisorientierten Seminare bieten MS-Erkrankten ideale Möglichkeiten, unter der Aufsicht von Fachspezialist*innen, mehr über ihre Erkrankung zu erfahren, gesundheitsbezogen zu handeln und aktiv in Training und Therapie mitzuarbeiten, krankheitsbedingte Einschränkungen zu minimieren und Wege und Optionen kennenzulernen, sich einen sportlichen Lebensstil anzueignen. Daher sollten MS-Erkrankte stets zu Sport motiviert werden, um so Risikofaktoren abzubauen und Folgeerkrankungen zu vermeiden im Sinne von: „Geben Sie dem Sport die Hand. Trauen Sie sich zu, aktiv zu bleiben/werden. Lassen Sie die Krankheit nicht Ihren Lebensstil bestimmen.“

Florian Beaudouin

Zum Weiterlesen empfehlen sich folgende Texte:

  • Dalgas, U. et al.: „Review: Multiple sclerosis and physical exercise: recommendations for the application of resistance-, endurance- and combined training“, in: Multiple Sclerosis, 2018; 14 (1), S. 35–53.
  • Waschbisch, A. et al.: „Multiple Sklerose und Sport Auswirkungen körperlicher Aktivität auf das Immunsystem“, in: Der Nervenarzt, 2009; 80 (6), S. 688–92.
    White, L.J. und Dressendorfer, R.H.: „Exercise and multiple sclerosis“, in: Sports Med, 2004; 34 (15), S. 1077–100.