In einem Artikel der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“, der weiterhin online verfügbar ist, behauptet ein Medizin-Nobelpreisträger, virale Bestandteile in Milch und Rindfleisch könnten Multiple Sklerose auslösen.
Harald zur Hausen ist ein renommierter Wissenschaftler und Arzt. Er formuliert seine These erstmalig 2016 in „Spektrum der Wissenschaft“. Die These ist einigermaßen interessant, aber der Artikel weist so deutliche Mängel auf, dass er mitsamt seiner These unglaubwürdig wird.
Zum einen spart er an Daten. So fehlen Verweise auf Studien und es gibt fast keine absoluten Zahlen, zum anderen begeht Hauser, aus wissenschaftlicher Sicht, einen kardinalen Fehler: Er verwechselt Korrelation mit Kausalität. So nimmt er an, dass wenn ein bestimmter Faktor (hier: Konsum von Milch und/oder Rindfleisch) gleichzeitig mit einem anderen (hier: die Häufigkeit von MS) auftaucht, diese beiden einander bedingen. Aber genau davon kann man gerade nicht ausgehen, weil man bei dieser Datenlage noch nicht einmal weiß, ob die beiden Faktoren überhaupt etwas miteinander zu tun haben oder ob es nicht weitere Faktoren gibt, die wesentliche Einflussfaktoren sind. Genau das gleiche gilt für die Thesen zu Vitamin D. Nur weil bei MS-Betroffenen häufig ein Vitamin D-Mangel festgestellt wird, heißt das nicht automatisch, dass dieser ursächlich für die Erkrankung ist. Vielleicht ist es ja auch gerade umgekehrt, nämlich dass die Erkrankung für einen Vitamin D-Mangel sorgt?
Zudem liegen ihm, freundlich formuliert, äußerst begrenzte Daten vor. Seine Hypothese leitet er aus Proben von insgesamt 13 (!) Probanden mit MS ab und von diesen 13 Proben wiesen nur zwei positive Agenzien, ähnlich wie die, die aus der Milch isoliert wurden, auf. Was allerdings vielleicht genauso schlimm ist wie diese unsaubere Argumentationskette, ist die Untätigkeit der Interviewer. An keiner Stelle wird kritisch hinterfragt oder auch nur darum gebeten, das Gesagte mit Daten und absoluten Zahlen zu untermauern. Zudem sollten Journalisten in diesem Bereich eigentlich die Limitationen, denen epidemiologische Erhebungen unterworfen, sind bestens bekannt sein, aber auch hier schweigen sie. Von einer Zeitschrift wie dem „Spektrum der Wissenschaft“ hätten wir mehr erwartet.
Christiane Jung
(Foto von Markus Spiske von Pexels)