Der diesjährige Welt-MS-Tag steht ganz im Zeichen der Forschung, das Motto heißt: #BringingUsCloser, er soll MS-Betroffene und Forscher zusammenbringen. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) hat daraus „Unheilbar optimistisch“ gemacht. Das Motto wird so erklärt: Mit einer unheilbaren Erkrankung soll man nicht die Hoffnung verlieren, sondern darauf vertrauen, dass die Krankheit eines Tages heilbar sein wird.
Interessant ist nun, wie Betroffene und Forschende bei der DMSG zusammengebracht werden: Kevin, ein junger MS-Betroffener, den die DMSG für ihren Community-YouTube-Kanal gewinnen konnte, erzählt in seinem Video von seinem Besuch in der Neuropathologie des Universitätsklinikums Göttingen. Substantielles zu den Forschungsinhalten berichtet er nicht, seine Rolle beschränkt sich auf Bewunderung und die Erkenntnis, dass nur geforscht werden kann, wenn Geld vorhanden ist. Und so sei es nur logisch, dass MS-Betroffene sich fragen sollen, was sie selbst für die Forschung tun können, denn sie sind es ja, die von Forschungserfolgen profitieren. Heißt das im Umkehrschluss, dass die Betroffenen selbst schuld sind, wenn es in der MS-Forschung nicht weitergeht? Diese Frage muss sich die DMSG gefallen lassen.
Selbstverständlich wird Geld für Grundlagenforschung benötigt, denn die Pharmafirmen, die mit ausreichend Mitteln ausgestattet sind, haben an einer Erklärung und möglichen Heilung der MS logischerweise kein Interesse. Die Investmentbank Goldman Sachs hat kürzlich einen Marktreport für die Pharmaindustrie veröffentlicht, und sie, die Geldgeberin für Medikamentenforschung, zieht eine menschenverachtende Schlussfolgerung: Es lohne sich für die Industrie nicht, Medikamente auf den Markt zu bringen, die eine schwere Krankheit dauerhaft heilen. Wir MS-Betroffene spüren schon lange am eigenen Leib, was es heißt, die Cash-Cow der Industrie zu sein. Betroffene werden zu Versuchskaninchen, weil ihnen immer risikoreichere MS-Medikamente als Dauertherapie angeboten werden, ohne dass deren langfristiger Nutzen oder mögliche Spätfolgen realistisch abzuschätzen wären. Unzählige wichtige Fragestellungen, an deren Beantwortung die Industrie kein Interesse hat, bleiben dagegen unbeantwortet.
Eine Organisation wie die DMSG hätte nun die Möglichkeit, unabhängige, klinisch relevante Forschung zu unterstützen. Nichts gegen die Wissenschaftler*innen in Göttingen, sie machen solide Grundlagenforschung. Aber sind das Forschungsschwerpunkte, die Betroffene, würden sie aktiv an der Forschungsplanung beteiligt werden, setzen würden, wenn sie die Forschungsgelder zu vergeben hätten? In der DMSG entscheiden allein Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen über die Forschungsförderung. So stellt man sich die Arbeit einer Organisation, die ausschließlich zum Wohl der Patient*innen agieren sollte, nicht vor. So werden keine Wissenschaftler*innen unterstützt, die alternative Ursachenmodelle zur herrschenden Lehrmeinung untersuchen, wie zum Beispiel die am Universitätsklinikum Halle (Saale). Dort forscht man seit vielen Jahren zum Thema Humane endogene Retroviren, kurz HERV, deren Hüllproteine in Verdacht stehen, Auslöser der Entzündungen im Gehirn zu sein, die typisch bei einer MS sind. Wie man geeignete Forschungseinrichtungen mit Mitteln zur unabhängigen Forschung ausstatten kann, das macht die Deutsche Kinderkrebsstiftung seit Jahren vor. Der Vorstand der Kinderkrebsstiftung besteht ausschließlich aus Betroffenen (Eltern oder selbst als Kind an Krebs erkrankt) und verteilt die eingenommenen Gelder allein nach Relevanz der Forschungsfragestellung. So bringt man Betroffene und Forschende zusammen! Davon ist die DMSG weit entfernt.
Hier findet sich der komplette Text auch als PDF: PMWMST2018