Neues aus der MS-Forschung

In regelmäßigen Abständen wollen wir hier Neuigkeiten aus der MS-Forschung vorstellen. Forschung, die z.B. gerade erst gestartet ist oder bereits ergebnislos beendet wurde, wo also jeweils nicht viel Datenmaterial vorliegt, um einen ganzen Artikel dazu zu machen, die aber dennoch interessant ist.

  1. Neues aus der MS-Forschung, 11.01.2021

    „Biontech arbeitet an mRNA-Impfstoff gegen Multiple Sklerose“ [1]SWR aktuell: „Erfolgreicher Test an Mäusen. Biontech arbeitet an mRNA-Impfstoff gegen Multiple … Weiterlesen So oder so ähnlich übertitelt erschienen gerade zahlreiche Meldungen im Internet, kaum war eine entsprechende Publikation Mainzer Grundlagenforscher erschienen.[2]C. Krienke et al., A noninflammatory mRNA vaccine for treatment of experimental autoimmune
    encephalomyelitis. Science 08 Jan 2021: Vol. 371, Issue 6525, pp. 145-153
    Die Methodik der mRNA-Impfmethodik, die durch die Corona-Pandemie einen großen Auftrieb erlebt hat und an der zuvor aber schon jahrelang gearbeitet wurde, wird vom Unternehmen Biontech zusammen mit verschiedenen Mainzer Arbeitsgruppen auch für den Einsatz bei Multiple Sklerose untersucht. Auf den ersten Blick erscheint es widersinnig, gegen eine Autoimmunerkrankung zu impfen, geht es bei einer Impfung doch normalerweise darum, das Immunsystem gegen etwas Fremdes in Stellung zu bringen, während zur Behandlung der MS ein Weg gesucht wird, das eigene Immunsystem zu dämpfen. Wie wir gerade in einem ZIMS-Artikel zur Corona-Pandemie erklärt haben, besteht mit der mRNA-Technologie die Möglichkeit, den Körper dazu zu bringen, jedes gewünschte Protein selbst herzustellen und mit dem Immunsystem in Kontakt zu bringen. Die Mainzer Forscher sind auf die Idee gekommen, eine mRNA für Bestandteile des Myelins zu konstruieren, die im Mausmodell eine Autoimmunkrankheit gegen das Nervengewebe auslösen, aber die mRNA vorher so zu verändern, dass das resultierende Protein keine Entzündungsreaktion, sondern im Gegenteil eine Immuntoleranz erzeugt.

    Die Methodik dahinter ist kompliziert und birgt eine Reihe von Fallstricken. Zunächst haben die Wissenschaftler deshalb überprüft, ob die veränderte mRNA denn tatsächlich auch keine Entzündungsreaktion auslöst. Dann haben sie ausgeschlossen, dass die veränderte mRNA die normalen Aufgaben des Immunsystems unterbinden könnte. Im nächsten Schritt konnten sie zeigen, dass im Mausmodell der MS durch die mRNA-Impfung des veränderten Myelinproteins tatsächlich der Ausbruch der Erkrankung verhindert werden konnte, und sogar nach Einsetzen der Symptome bei den Mäusen noch ein Stillstand oder sogar eine Symptomrückbildung erzeugt wurde. Nun ist die „Maus-MS“ natürlich gar keine MS, sondern eine experimentell erzeugte Krankheit, bei der man mittels eines Myelinbestandteils die Mäuse absichtlich gegen das eigene Myelin immunisiert hat. Es gibt nicht nur ein Maus-Modell, sondern mehrere, bei denen unterschiedliche Myelinbestandteile zur Autoimmunisierung verwendet wurden, und es gibt Mausmodelle, bei denen eine Mischung von mehreren Myelinbausteinen auf einmal zur Immunisierung verwendet wurde. Ein Charakteristikum des Immunsystems bei Immunreaktionen ist, dass das Immunsystems viele zusätzliche Immunzellen zur Entzündungsreaktion hinzuruft, die ursprünglich gar nicht beteiligt waren, so genannte „Bystander“. Bei Menschen mit MS ist, anders als bei den Mäusen, nicht klar, welcher Bestandteil eigentlich der ursprüngliche Auslöser der Immunreaktion ist, es ist grundsätzlich immer ein Immunzell-Cocktail gegen verschiedene Nervenzellbestandteile aktiviert. Es wäre also wichtig, dass die mittels mRNA-Methodik erzeugte Immuntoleranz sich ebenfalls auf die „Bystander“ erstreckte. Und tatsächlich schien es im Mausmodell so zu sein, dass man mit der Impfung gegen einen Myelinbestandteil auch eine Immuntoleranz gegen einen anderen Myelinbestandteil erzeugen konnte.

    Wie gesagt, das gilt alles für die Maus. Im Menschen ist die Lage komplizierter, und doch haben wir hier endlich mal einen fundamental anderen, und wesentlich spezifischeren Ansatz, Entzündungsreaktionen gegen das eigene Nervengewebe vorzubeugen, der hoffentlich auch am Menschen weiterverfolgt werden kann. Interessanterweise hat sich das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) schon am Tag der Veröffentlichung in einer eigenen Pressemitteilung dazu skeptisch geäußert, und betont, dass die Studienergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar seien und vor Risiken, insbesondere einer versehentlichen Aktivierung des Immunsystems, gewarnt.[3]Stellungnahme des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS): „Neue Technik der mRNA Vakzinierung, die gegenwärtig so erfolgreich als COVID Impfung eingesetzt wird, ist nicht ohne weiteres auf … Weiterlesen Eine interessante Zurückhaltung vor dem Hintergrund, dass alle bisher verfügbaren Immuntherapien am Mausmodell der MS entwickelt wurden und dass die gegenwärtigen Sprecher des KKNMS renommierte Grundlagenforscher sind, die oft genug selbst frühzeitig ihre eigenen Ergebnisse verkünden. Man könnte spekulieren, es läge daran, dass sie nicht an der Forschungsarbeit beteiligt waren, und dass ein etwaiger Erfolg der mRNA-Technologie das ganze bisherige Immuntherapiekonzept der MS über den Haufen werfen würde.

    Jutta Scheiderbauer

    Quellen

    Quellen
    1 SWR aktuell: „Erfolgreicher Test an Mäusen. Biontech arbeitet an mRNA-Impfstoff gegen Multiple Sklerose“,in:https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/biontech-impfstoff-multiple-sklerose-100.html, 08.01.2021 [10.01.2021].
    2 C. Krienke et al., A noninflammatory mRNA vaccine for treatment of experimental autoimmune
    encephalomyelitis. Science 08 Jan 2021: Vol. 371, Issue 6525, pp. 145-153
    3 Stellungnahme des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS): „Neue Technik der mRNA Vakzinierung, die gegenwärtig so erfolgreich als COVID Impfung eingesetzt wird, ist nicht ohne weiteres auf Erkrankungen wie die Multiple Sklerose übertragbar“, in: https://idw-online.de/de/attachmentdata85493.pdf, 08.01.2021 [10.01.2021].
  2. Neues aus der MS-Forschung, 30.08.2020

    Und noch eine interessante Nebenwirkungsauswertung, wie man sie viel öfter machen sollte. Es existieren international Meldesysteme „unerwünschter Ereignisse“, die in Zusammenhang mit einer Arzneimitteltherapie nach deren Zulassung, also im Routinebetrieb, aufgetreten sind. Die Autoren haben die Datenbank der Federal Drug Assoziation (FDA), der US-amerikanischen Zulassungsbehörde, nach Meldungen über solche Ereignisse unter Therapie mit Ocrelizumab (Ocrevus®) im Vergleich zu Rituximab untersucht. Beide Substanzen sind monoklonale Antikörper gegen CD-20 und führen zu einem Absterben von B-Lymphozyten, wodurch eine Immunsuppression ausgelöst wird, die bei MS die Schubrate senken kann. Sie stammen vom selben Hersteller, der aber bewusst nur Ocrelizumab für MS bis zur Zulassung entwickelt hat, weil das aufgrund der gesetzlichen Regularien einen wesentlich höheren Marktpreis erzielen kann als das „Altpräparat“. Während die Nebenwirkungsrate von Ocrelizumab in den Zulassungsstudien mit der anderer für MS zugelassener Therapien vergleichbar war, zeigt sich in der Auswertung der nach Zulassung aufgetretenen mutmaßlichen Nebenwirkungen, dass die Infektionsrate unter Ocrevustherapie etwa doppelt so hoch ist (22% unter Ocrelizumab, 11% unter Rituximab). Die MS-Betroffenen scheinen mal wieder mit ihrer Gesundheit für die Gewinnmarge eines pharmazeutischen Unternehmens haften zu müssen.

     

  3. Neues aus der MS-Forschung, 28.07.2020

    Die Medical Tribune berichtet unter der Überschrift „Benige Multiple Sklerose häufiger als gedacht“ von einem Vortrag von Prof. Limmroth vom Klinikum Köln-Mehrheim.[1]Maronde, Birgit: Benigne Multiple Sklerose häufiger als gedacht, in: Medical Tribune … Weiterlesen Prof. Limmroth bezieht sich auf eine, im Januar diesen Jahres, veröffentlichte 30-Jahres-Auswertung einer britischen Langzeitstudie von Patienten, die mit einem Klinisch isolierten Syndrom (CIS) vor dieser langen Zeit diagnostiziert worden sind.[2]KK Chung et al.: A 30-Year Clinical and Magnetic Resonance Imaging Observational Study of Multiple Sclerosis and Clinically Isolated Syndromes, in: Annals of Neurology, Januar 2020; 87(1): 63–74. Unter einem CIS versteht man die wahrscheinliche Erstmanifestation einer Multiplen Sklerose, die aber die Diagnosekriterien für MS nicht vollständig erfüllt. Bei einem Teil dieser Patienten entwickelt sich später eine MS, bei einem Teil aber auch nicht. Eine Schwierigkeit bei solchen Auswertungen über lange Zeiträume ist grundsätzlich, dass sich seither vieles in der Medizin geändert haben kann. Speziell bei MS gelten heutzutage andere Diagnosekriterien, und auch die Qualität der MRT-Untersuchungen, die einen wesentlichen Bestandteil der Diagnostik ausmachen, hat sich erheblich verbessert. Von daher sind bei den „alten“ CIS-Patienten auch solche dabei, die heute schon eine MS-Diagnose bekommen würden.

    In dieser Studie konnten letztendlich die Daten von 120 Patienten ausgewertet werden. Von diesen hatten 40 Patienten, also ein Drittel, keine MS entwickelt. 80 Patienten, zwei Drittel, hatten im Laufe der Jahre die MS-Kriterien erfüllt. Von diesen MS-Betroffenen wiederum hatten 32 (42%) eine schubförmig-remittierende MS (RRMS) mit einem niedrigen Behinderungsgrad (EDSS unter 4, also voll gehfähig), und 3 (4%) mit einer stärkeren Behinderung (EDSS ab 4), 26 (34%) hatten eine sekundär progrediente MS (SPMS) entwickelt, und 16 (20%) waren an den Folgen ihrer MS verstorben. Diese Auswertung hat also gezeigt, dass ein Drittel der CIS-Patienten gar keine MS entwickelt hat, und von denen mit MS wieder ein Drittel keine schwere Behinderung bekommen hat. Und so kommt Prof. Limmroth zu dem erfreulichen Schluss, dass eine Immuntherapie bei CIS kein Automatismus sein sollte.

    Wir kämen möglicherweise noch zu einem weitergehenden Schluss:

    Da es hier um die „alten“ CIS-Patienten geht, von denen viele nach heutigen Diagnosekriterien nicht als CIS, sondern bereits als MS diagnostiziert werden würden, sollte vielleicht bei MS-Diagnosen nach dem ersten Schub die Einleitung einer Immuntherapie generell kein Automatismus sein. Die hier beschriebene Studie hat nämlich nur ein paar wenige Faktoren identifizieren können, die schon früh für die Entwicklung einer höhergradigen Behinderung im langfristigen Verlauf sprechen, und das sind Herdbefunde in bestimmten ungünstigen und untypischen Lokalisationen. Man könnte also so vorgehen, erst einmal nur den Betroffenen mit diesen Risikofaktoren eine Immuntherapie anzuraten, und den anderen ein abwartendes Vorgehen vorzuschlagen.

    Quellen

    Quellen
    1 Maronde, Birgit: Benigne Multiple Sklerose häufiger als gedacht, in: Medical Tribune online, https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/benigne-multiple-sklerose-haeufiger-als-gedacht/ (28.07.2020
    2 KK Chung et al.: A 30-Year Clinical and Magnetic Resonance Imaging Observational Study of Multiple Sclerosis and Clinically Isolated Syndromes, in: Annals of Neurology, Januar 2020; 87(1): 63–74.
  4. Neues aus der MS-Forschung, 30.06.2020

    Eine Forschergruppe unter Federführung der neurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz hat die Ergebnisse zur Bestimmung der Neurofilament Leichtketten Proteine (NFL) im Blut von Studienteilnehmern der deutschen MS-Kohortenstudie[1]siehe: https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/forschung/klinische-studien-register/ms-kohortenstudie veröffentlicht.[2]siehe: https://medizin-aspekte.de/die-prognose-bei-multiple-sklerose-120174/ https://www.thelancet.com/pdfs/journals/ebiom/PIIS2352-3964(20)30182-1.pdf Die Kohortenstudie schloss 1000 Patienten, die zu Beginn der Studienteilnahme noch unbehandelt waren, ein und soll sie über mindestens 10 Jahre beobachten. Zusätzlich zum klinischen Verlauf wurden verschiedenen Begleitstudien initiiert, so auch die Bestimmung der NFL. NFL-Erhöhungen gelten als Nachweis eines Nervenzellschadens. Heraus kam, dass im Blut bei Betroffenen, die im weiteren Verlauf mit stärkeren Immuntherapien behandelt wurden, schon zu Beginn erhöhte Werte der NFL im Vergleich zu denjenigen, die schwächere Immuntherapien oder gar keine Immuntherapie bekamen, vorhanden gewesen waren. Die Höhe der NFL steht darüber hinaus mit der Läsionsanzahl in der MRT und mit der Schubrate in Zusammenhang. Die NFL-Werte gingen im zweijährigen Verlauf bei allen Betroffenen zurück, am deutlichsten aber bei denen, die mit stärkeren Immuntherapien behandelt wurden. Die Diagnostik der MS wurde durch die Hinzunahme des NFL-Werts genauer. Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse so, dass NFL als Prognosefaktor dienen könnte, der bei Therapieentscheidungen zu Beginn hilft, und gleichzeitig als Biomarker, mit dem man auch das Ansprechen auf die Therapie messen könne. Leider enthält die Veröffentlichung keine Daten zum Behinderungsverlauf der Betroffenen. Dies wäre nämlich der Goldstandard des Nutzens eines Biomarkers für die Verlaufserhebung der Multiplen Sklerose. Hängen hohe NFL-Werte mit einer stärkeren Behinderungsprogression zusammen und kann diese durch die „Therapie nach NFL-Wert“ verbessert werden? So weit ist man noch nicht, auch weil NFL im Blut noch längst nicht von allen Kliniken überhaupt bestimmt werden kann.


    Ein wenig eklig mutet der Therapieansatz an, MS-Betroffene mit Würmern zu infizieren, um die Entzündungsaktivität der MS zu vermindern. Zurück geht das auf die Beobachtung, dass bei Betroffenen, die an einer parasitären Erkrankung litten, die Schubrate niedriger war als bei Betroffenen ohne eine solche Erkrankung. Die „Hygiene-Hypothese“ vermutet ja, dass allergische und autoimmune Erkrankungen des Menschen sich deshalb vor allem in Ländern mit höherem Hygienestandard häufen, weil das Immunsystem quasi unterbeschäftigt ist. Es gab schon mehrere Studien mit den Eiern des Schweinepeitschenwurms, die einen Rückgang der Läsionen in der MRT ergaben, die aber keine Kontrollgruppe gehabt hatten. Die Eier des Schweinepeitschenwurms sind nicht in der Lage, den Menschen zu infizieren, aber sie können im Darm eine Immunreaktion auslösen. Nun hat ein britisches Forscherteam ihre Studienergebnisse zu einer tatsächlichen Wurminfektion berichtet, und zwar einer mit N. americanus, dem Hakenwurm, der sich im Körper fortbewegt und sich letztlich im Darm festsaugt.[3] siehe: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113828/Multiple-Sklerose-Hakenwuermer-erzielen-in-randomisierter-Studie-nur-schwache-Wirkung Hier gab es eine Kontrollgruppe. Das primäre Ziel der Arbeit war der Nachweis einer Reduktion von Hirnläsionen in der MRT, das aber verfehlt wurde. Dagegen war die Schubrate in der Gruppe der Studienteilnehmer mit Hakenwurminfektion mit 5 Schüben niedriger als in der Placebokontrollgruppe (11 Schübe). Es handelte sich mit zusammen 35 Patienten nur um eine sehr kleine Studie, die als „negativ“ gilt, weil das primäre Ziel verfehlt wurde. Für Betroffene wäre die Schubratenreduktion allerdings wichtiger als eine Verhinderung von Flecken in der MRT. Die Therapie war gut verträglich. Insgesamt muss man sich fragen, ob man ernsthaft eine Parasiteninfektion als Therapie einsetzen will, bzw. wie lange der Therapieeffekt überhaupt aufrecht zu erhalten ist, denn diese Infektion verursacht irgendwann dann auch eine Anämie über einen chronischen Blutverlust durch die Würmer. Und drittens ist auch das wieder nur ein Ansatz gegen die entzündliche Krankheitsaktivität der MS ohne Nachweis eines Nutzens auf die langfristige Behinderung.


    Schon im März gab der Hersteller des Hochdosis-Biotin-Präparats Quizenday bekannt, dass die große Studie, die den Nachweis von Behinderungsverbesserungen durch die Substanz in einer vorangegangenen kleinen Studie[4]siehe: Tourbah A et al., MD1003 (high-dose biotin) for the treatment of progressive multiple sclerosis: A randomised, double-blind, placebo-controlled study. Multiple Sclerosis Journal 2016, Vol. … Weiterlesen hätte bestätigen sollen, nicht erfolgreich war.[5]siehe: https://www.medday-pharma.com/2020/03/10/medday-reports-top-line-data-from-phase-iii-trial-spi2-for-treatment-of-progressive-forms-of-multiple-sclerosis In allen Zielgrößen konnte keine Überlegenheit von Hochdosis-Biotin gegenüber Placebo nachgewiesen werden. Dies ist natürlich eine Enttäuschung, da die vorangegangenen Studien mit keinen Fallzahlen so eindeutig positiv erschienen. Man kann daraus lernen, dass man für alle Studienergebnisse, die zuerst schön aussehen, erst einmal die Bestätigung einholen sollte. Das Studiendesign war ja sehr ambitioniert gewesen. Untersucht wurden Betroffene mit primär oder sekundär progredienter MS (PPMS oder SPMS). Innerhalb einer Behandlungsdauer von 15 Monaten sollten sich in der Biotingruppe Verbesserungen der Gehgeschwindigkeit oder des EDSS im Vergleich zu einer Placebogruppe einstellen. Normalerweise untersucht man MS-Betroffene gar nicht auf Verbesserungen der Behinderung, sondern auf eine Verminderung des Fortschreitens der Behinderung. Unklar bleibt, ob es noch weitere Forschung hierzu geben wird.

    Quellen

    Quellen
    1 siehe: https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/forschung/klinische-studien-register/ms-kohortenstudie
    2 siehe: https://medizin-aspekte.de/die-prognose-bei-multiple-sklerose-120174/ https://www.thelancet.com/pdfs/journals/ebiom/PIIS2352-3964(20)30182-1.pdf
    3 siehe: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113828/Multiple-Sklerose-Hakenwuermer-erzielen-in-randomisierter-Studie-nur-schwache-Wirkung
    4 siehe: Tourbah A et al., MD1003 (high-dose biotin) for the treatment of progressive multiple sclerosis: A randomised, double-blind, placebo-controlled study. Multiple Sclerosis Journal 2016, Vol. 22(13) 1719– 1731
    5 siehe: https://www.medday-pharma.com/2020/03/10/medday-reports-top-line-data-from-phase-iii-trial-spi2-for-treatment-of-progressive-forms-of-multiple-sclerosis
  5. Neues aus der MS-Forschung, 22.05.2020

    Eine kürzlich veröffentlichte Studie der MSBase-Kohorte hat die klinische Marker im ersten Jahr der MS mit dem späteren Verlauf verglichen. [1]siehehttps://www.neurodiem.de/news/early-clinical-markers-of-aggressive-multiple-sclerosis4jpd7VN4rChHNbBrXEYrxG … Weiterlesen Heraus kam, dass eine Dreier-Kombination aus „Alter über 35 Jahren beim Einsetzen der ersten MS-Symptome“, „Erreichen eines EDSS von mindestens 3,5 [2]Das entspricht einem relativ schnellen und spürbaren Fortschreiten der Behinderung im ersten Erkrankungsjahr, denn eine EDSS von 3,5 ist etwa dann erreicht, wenn der Übergang in die SPMS im Gange … Weiterlesen im ersten Jahr“ und „Pyramidenbahnzeichen (z.B. Gangspastik)“ eine positiven prädiktiven Wert von 0.15 für das Erreichen eines dauerhaften EDSS von mindestens 6 schon innerhalb der ersten 10 Krankheitsjahre hatte, was mit einer aggressive MS gleichgesetzt wurde. Nur 32% der Patienten in der Studie mit einem solch schweren MS-Verlauf hatten im ersten Jahr diese Befundkonstellation aus Alter und früher Behinderungsprogression auch wirklich gehabt, 68% nicht. Also eignet sich auch diese Befundkonstellation nicht, um daraus dem Einzelnen eine sicher schlechte Prognose zu stellen. Diese Studie ist aber wegen des zweiten Ergebnisses viel interessanter. War diese Befundkonstellation nicht gegeben, dann entwickelten nur 1,4% der Betroffenen diese aggressive MS. Also kann man immer noch nicht am Anfang der MS sagen, wer einen schweren MS-Verlauf entwickeln wird, aber man weiß besser, bei wem das Risiko dafür sehr klein ist.

    Quellen

    Quellen
    1 siehehttps://www.neurodiem.de/news/early-clinical-markers-of-aggressive-multiple-sclerosis4jpd7VN4rChHNbBrXEYrxG und https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32386427/?from_single_result=Malpas+Brain+multiple+sclerosis&expanded_search_query=Malpas+Brain+multiple+sclerosis
    2 Das entspricht einem relativ schnellen und spürbaren Fortschreiten der Behinderung im ersten Erkrankungsjahr, denn eine EDSS von 3,5 ist etwa dann erreicht, wenn der Übergang in die SPMS im Gange ist.
  6. Neues aus der MS-Forschung, 20.05.2020

    Eine kleine belgische Studie untersuchte, wie 27 Menschen mit Multiple Sklerose reagierten, wenn sie entweder im Takt einer Musik, im Takt eines Metronoms oder in Stille 12 Minuten am Stück gingen, und verglichen die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe 28 Gesunder.[1]siehe https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2211034819303074 und https://physiotherapeuten.de/news/2020/05/multiple-sklerose-musik-hat-positiven-effekt-auf-das-gehen/ Zusätzlich wurden die empfundene motorische und kognitive Fatigue, die Motivation und das Gangbild getestet. Alle Studienteilnehmer synchronisierten ihr Gangbild gut zur Musik und zum Metronom, allerdings machten die MS-Betroffenen es besser. Schrittlänge, Geschwindigkeit und Trittfrequenz nahmen bei allen ab, außer der Trittfrequenz bei Gesunden. Die MS-Betroffenen erlebten geringere kognitive Fatigue, eine gleichbleibende motorische Fatigue und eine höhere Motivation bei Musik im Vergleich zum Metronom alleine oder zur Stille. Die Studie hat letztlich bestätigt, was man eigentlich schon selbst so empfunden hat: Mit Musik ist Training leichter!

  7. Neues aus der MS-Forschung, 28.04.2020

    Drei bereits für andere Erkrankungen zugelassene Medikamente, Amilorid, Riluzol und Fluoxetin, waren in einer groß angelegten radomisierten Studie bei Patienten mit sekundär progredienter MS (SPMS) in Bezug auf neuroprotektive Eigenschaften im Vergleich zu einer Placebobehandung untersucht worden. Leider konnte die Studie keine Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen zeigen. [1]https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/sekundaer-progrediente-ms-neue-substanzen-enttaeuschen-14192/ und https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31981516 Medikamentöse Neuroprotektion ist also weiterhin noch nicht möglich. Sport dagegen geht natürlich immer.

  8. Neues aus der MS-Forschung, 20.04.2020

    Eine Arbeitsgruppe des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) stellte in einer Pressemitteilung ihre Grundlagenarbeit am Mausmodell der MS vor. [1]https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/neue-therapie-chancen-fuer-multiple-sklerose-sicht Die Arbeitsgruppe verfolgte einen grundlegend neuen Ansatz, sie verwendete einen bestimmten Antikörper, um eine bestimmte Unterart der Monozyten absterben zu lassen. Monozyten gehören im Gegensatz zu den Lymphozyten, die das Ziel aller zur Zeit verfügbaren Immuntherapien sind, zum einem anderen Teil des Immunsystems, dem angeborenen Immunsystem. Monozyten werden auch als Fresszellen bezeichnet, und sind diejenigen, die bei MS den eigentlichen Nervenschaden verursachen. Im Mausmodell bildeten sich die Symptome der Tiere sehr schnell zurück, nachdem die Monozyten abgestorben waren. Es bleibt abzuwarten, ob klinische Studien zu diesen Antikörpern folgen werden.

  9. Neues aus der MS-Forschung, 31.03.2020

    Ein Team an der Johns-Hopkins-Universität hat eine klinische Phase1/2-Studie an Patienten mit primär progredienter MS (PPMS) aufgelegt, die zunächst Sicherheit und kurzfristige Wirkung von Tauroursodesoxycholsäure, einer Gallensäure, untersuchen soll.[1]https://multiplesclerosisnewstoday.com/news-posts/2020/03/31/bile-acid-supplements-may-ease-inflammation-symptoms-progressive-ms/?fbclid=IwAR0uu5ny1vYKEVaNk5A9v52zodgOqmfcxWda1Yp8h-XPdRfWEr-rMlrJQYE … Weiterlesen Verglichen wird mit Placebo. Gallensäuren werden im Körper von der Leber produziert, über die Gallenwege in den Darm ausgeschieden, und dienen dazu, die Fette in der Nahrung besser verdaulich zu machen. Hintergrund für die Studie ist die Beobachtung, dass besonders Betroffene mit PPMS erniedrigte Spiegel von Gallensäuren haben. Die Forscher entdeckten ebenfalls, dass Zellen in MS-Gehirnläsionen, sowohl Nervenzellen als auch Makrophagen (Fresszellen), Rezeptoren für Gallensäurenaufweisen, die über diese Rezeptoren neuroprotektive Eigenschaften zu entfalten scheinen. Dies ist ein völlig neuer Ansatz. Die Studie soll Ende 2020 abgeschlossen sein.